Renaissanceschlösser und Liebesgärten: Das Loiretal und seine Schlösser im Rollstuhl erkunden

Sie sind ein klassisches Ziel für Studienreisegruppen, aber sie lassen sich auch individuell hervorragend erkunden: die Schlösser an der Loire und an ihren Nebenflüssen. Entstanden in der Zeit zwischen Gotik und Renaissance, bezaubern sie durch ihre Baukunst ebenso wie durch großzügige und fantasievoll gestaltete Gartenanlagen.
Die Loire, ein Fluss, der vom Zentralmassiv bis zum Atlantik fließt, ist etwa 1000 Kilometer lang, das eigentlich Loiretal, das seit dem Jahr 2000 auch zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, umfasst etwa 280 Kilometer. Viele der wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Schlösser finden sich in der Region Centre-Val de Loire.

"Tourisme & Handicap"

In Frankreich wurde vor mehr als zwanzig Jahren das Label "Tourisme & Handicap" (Externer Link) geschaffen. Es wird an Sehenswürdigkeiten, Hotels und Restaurants vergeben wird, die sich auf die Bedürfnisse eingeschränkter Menschen eingestellt haben. Das betrifft Seh- und Hörbehinderte, aber natürlich auch Rollstuhlfahrer. In der Region Centre-Val de Loire finden sich in allen Gebieten entsprechende Anbieter – und wenn man vor Ort unterwegs ist, merkt man, dass sich diese Anbieter hier auch wirklich Mühe geben. Eine Reise zu den Gärten und Schlössern der Loire ist längst auch für Rollstuhlfahrer gut durchführbar. Natürlich gibt es in einigen der historischen Schlossanlagen baubedingt Einschränkungen, beispielsweise ist im Schlossinneren oft nur das Erdgeschoss zugänglich. Die Gartenanlagen um die Schlösser jedoch sind fast alle mit dem Rollstuhl besuchbar. Dort findet sich als Untergrund oft Rollsplitt oder Kies, weshalb ein Besuch für durch Rollstuhlfahrer leichter fällt, wenn eine Begleitperson mit dabei ist.

Attraktive Zusatzangebote

In einigen der attraktivsten Sehenswürdigkeiten gibt es Zusatzangebote, die Rollstuhlfahrern das Schlossinnere näher bringen. Im Erdgeschoss des Schloss Villandry wird eine Filmprojektion gezeigt, die darstellt, was im 1. und 2. Stock zu sehen ist. Im Schloss Azay-le-Rideau findet sich eine barrierefreie Multimediaausstellung in der ebenerdig zu erreichenden alten Weinpresse und in den Gärten um das Château de Chambord können sich Besucher Elektrofahrzeuge ausleihen. In Schloss Rivau erhalten Rollstuhlfahrer, die sich vorher anmelden, eine echte VIP-Behandlung: Sie können zwei Räume im Erdgeschoss über einen Hintereingang betreten, der ansonsten den Schlosseigentümern vorbehalten und mit einer hölzernen, von Hecken gesäumten Rampe ausgestattet ist.

Ideale Gärten und moderne Kunst in der Domäne von Chaumont-sur-Loire

In der Domäne Chaumont-sur-Loire findet seit dem Jahr 1992 jedes Jahr ein internationales Gartenfestival statt, bei dem dreißig Themengärten von Künstlern und Gartenbauern entworfen und neu angelegt werden. Daneben findet sich hier auch ein zehn Hektar großer Dauergarten, in dem sich Abschnitte befinden, die unter anderem von koreanischer, japanischer oder südafrikanischer Gartengestaltung inspiriert sind.
Für Rollstuhlfahrer empfiehlt sich der Parkplatz Süd, auf dem sich mehrere Parkplätze finden, die für sie reserviert sind. Auf Rollsplitt und Pflaster geht es zum Eingang – dort wird nicht nur das Ticket gelöst, eine Infotafel dort informiert auch darüber, welche Örtlichkeiten in der Domäne mit Rollstuhl zugänglich sind: ein Teil der Festivalgärten, der Küchengarten, die zehn Hektar großen permanenten Gärten, die Restaurants und die Toiletten. Im Schloss selbst sind einzelne Räume im Erdgeschoss zugänglich, ebenso wie Schlosshof und Schlosskapelle. Um diese zu erreichen, sind zuweilen auch etwa vier bis sechs Zentimeter hohe Schwellen zu überwinden. Für Rollstuhlfahrer mit Begleitperson ist das gut zu bewältigen, aber wer allein unterwegs ist, hat es hier zuweilen nicht leicht.

Moderne Kunst in alten Gemäuern

Sehenswert ist die ehemalige Schlosskapelle, die vom Schweizer Künstlerpaar Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger in einen hängenden Garten verwandelt worden ist, der hauptsächlich aus Blättern, Gräsern und getrockneten Blumen besteht. Moderne Kunst, speziell für die Domäne erstellt, findet sich auch in den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden und Stallungen. Wer die verschiedenen Gärten, die Kunstobjekte und den für Rollstuhlfahrern mit Einschränkungen zugänglichen Teil des Schlosses besichtigen will, sollte sich mindestens einen halben Tag dafür Zeit nehmen.

Domaine Chaumont (Externer Link)

Rentiere mit Pappnasen: Originelle Kunstwerke im Schloss Rivau

Schloss Rivau, zu dem früher ein großes Gestüt gehörte, spielte in der französischen Geschichte eine wichtige Rolle: Hierher kam Jeanne d’Arc, bekannt als die Jungfrau von Orleans, um sich die besten Militärpferde für die Belagerung der Stadt Orleans auszusuchen. Heute können auch Rollstuhlfahrer Teile des Schlosses besichtigen: Zwei Räume im Erdgeschoss, die fantasie- und humorvoll mit moderner Kunst dekoriert sind, können besucht, wenn sich Rollstuhlfahrer einige Tage im Voraus ankündigen. Der Zugang erfolgt in diesem Fall über eine Rampe auf der Rückseite des Schlosses und durch einen Eingang, der sonst nur der Eigentümerfamilie vorbehalten ist. Im Schloss selbst erleben Besucher eine Überraschung – unter den Jagdtrophäen an den Wänden befinden sich Rentiere mit Pappnasen, Elefanten mit bunten Trichterhüten und Hirsche in langem Nachthemd. Wer an origineller Kunst interessiert ist, der ist hier gut aufgehoben.

Château du Rivau (Externer Link)

Märchenhafte Gärten und zauberhafte Menüs

Rund um das "verrückte Schloss" befinden sich Märchengärten, die ebenfalls mit dem Rollstuhl erreicht werden können. Übermenschlich große Gummistiefel – für zwei linke Füße – sind hier ebenso aufgestellt wie ein Liebeskäfig und Skulpturen von Comicfiguren. Im Schlosshof überrascht ein Häuschen in Form eines Schuhs und ein überdimensionierter Maulwurf. Dort findet sich auch das Restaurant "La Table des Fées", denn in einem märchenhaften Schloss lässt sich natürlich auch märchenhaft speisen. Das Restaurant hat in der Regel zwischen 12 und 14:30 geöffnet, eine Reservierung ist empfehlenswert. Von November bis März ist das Schloss geschlossen.

Restaurant im Château du Rivau (Externer Link)

Vom Küchen- bis zum Liebesgarten: bezaubernde Renaissancegärten in Villandry

Einige der schönsten wieder angelegten Renaissancegärten an der Loire befinden sich rund um das Schloss Villandry. Die Gärten dort sind insgesamt rund sieben Hektar groß und wurden zum Großteil zwischen 1908 und 1918 nach alten Plänen neu zum Leben erweckt. Die sehenswerten Renaissancegärten erstrecken sich über vier Terrassenebenen und sind über Wege verbunden. Rollstuhlfahrer erhalten gleich am Eingang einen Plan, in dem eingezeichnet ist, welche der Wege stufenfrei und für Rollstühle geeignet sind und wo es möglicherweise Steigungen oder andere Schwierigkeiten gibt.

Château Villandry (Externer Link)

Spektakuläre Gartenkunst auf vier Ebenen

Während wir den Garten besuchen, blühen gerade die Rosen, doch die Gärten haben zu jeder Jahreszeit ihren eigenen Reiz. Auf der ersten Ebene findet sich der Gemüsegarten, in dem Salat- und Krautköpfe sowie andere Gemüsesorten streng symmetrisch als Zierpflanzen angebaut werden. Auf der zweiten Ebene begeistern ein Kräutergarten sowie mehrere Ziergärten, die von kunstvoll ausgerichteten Buchsbaumhecken dominiert werden – ein Musik-, ein Kreuz- und ein Liebesgarten. Anschließend stoßen wir auf der dritten Terrassenstufe auf ein Labyrinth, wie es typisch ist für die Zeit der Renaissance, und auf den Wassergarten. Er ist ein Ort für die Kontemplation, ebenso wie der Sonnengarten auf der vierten Stufe, der weitgehend naturnah gestaltet ist.

Leihrollstühle im Angebot

Etwa die Hälfte aller Besucher besichtigen ausschließlich die Gärten, von denen aus das Schloss aus verschiedensten Perspektiven betrachtet werden kann. Der Weg, der Rollstuhlfahrern empfohlen wird, ist etwa 1,5 Kilometer lang und zum größten Teil mit Rollsplitt bedeckt. Das Schloss empfiehlt einen Besuch mit Begleitperson, hat aber auch einige Leihrollstühle im Angebot, die an die Bodenbeschaffenheit angepasst sind. Im Schloss selbst sind sämtliche Räume im Erdgeschoss für Rollstuhlfahrer zugänglich, nicht jedoch die erste oder zweite Etage. Gleich am Eingangsbereich befindet sich ein auch per Rollstuhl zugänglicher Filmsaal, in dem eine 18-minütige Dokumentation gezeigt wird, in der das weitere Schlossinnere näher vorgestellt und erläutert wird (entweder mit französischen oder englischen Untertiteln).

Chenonceau und Chambord: Mit dem Boot und dem Elektromobil zu den beliebtesten Loireschlössern

Das größte Schloss an der Loire ist das Château de Chambord, das König Franz I. als sein Prunk- und Jagdschloss errichtete. Das fotogenste Schloss der Region ist das Château de Chenonceau, dessen Galeriegang den Fluss Cher überspannt. Beide Schlösser sind innen nicht barrierefrei, lohnen jedoch den Blick von außen. Schloss Chenonceau ist am Ufer des Chers erbaut. Diana von Poitiers, die Geliebte des französischen Königs Heinrich II., errichtete eine Brücke über den Fluss – auf dieser ließ Katharina von Medici später eine mehrstöckige Galerie aufsetzen. Einen idealen Blick auf das Schloss hat man bei einer Bootsfahrt von der Rue de la Plage zum Schloss und durch die Galeriebrücke. Die Schiffsfahrten werden mehrmals täglich angeboten – und Rollstuhlfahrer kommen über eine Rampe leicht an Bord. Bis zu sechs Plätze können für sie zur Verfügung gestellt werden, vier davon befinden sich direkt am Bug des Schiffs und bieten eine grandiose Aussicht. Die Bootsfahrt dauert eine Stunde. Schloss Chambord, das wohl berühmteste Loireschloss, kann ebenfalls von Boot aus bewundert werden. In der Nähe des Schlosses werden Elektroboote, aber auch Elektromobile mit insgesamt 4 Sitzplätzen, für 30 bzw. 45 Minuten vermietet. So können Rollstuhlfahrer den Rollsplitt umgehen und das Schloss und die Umgebung auf eine bequeme Art und Weise kennenlernen.

Château Chenonceau (Externer Link)
Bootsfahrten zum Schloss Chenonceau (Externer Link)
Château Chambord (Externer Link)

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